Blitzschutz bei Solaranlagen

Der Fachbeitrag zum Thema Blitzschutz bei Solaranlagen gibt einen fundierten Überblick über die wichtigsten Maßnahmen und Vorschriften, um bei einem möglichen Blitzeinschlag gut geschützt zu sein.

Positive und negative Ladungen in Gewitterwolken

Blitze schaffen Ausgleich zwischen Himmel und Erde
Gewitter sorgen mit dem Transport elektrischer Ladungen dafür, den Spannungsunterschied zwischen der Ionosphäre und der Erdoberfläche konstant zu halten. Die Ladungen entstehen in der Atmosphäre, wenn energiereiche Ultraviolett- und Röntgenstrahlen der Sonne Elektronen von Atomen der Luft-Moleküle abspalten. Wolken und Niederschlag können solche Ladungen lokal konzentrieren, wodurch weitere elektrische Felder entstehen. So finden wir in den Gewitterwolken unten vorwiegend negative Ladungen, oben hingegen positive. Wird der Spannungsunterschied zu groß, entlädt er sich in Blitzen. Das beginnt mit dem grellen Zickzacklicht von der Wolke zur Erde. Solche Blitzkanäle können bis zu zehn Kilometer lang sein und zwölf Millimeter Durchmesser haben. Im Blitzkanal gelangen negative Ladungen von oben nach unten und lassen die leitende Verbindung zwischen Boden und Gewitterwolke aufbauen. Erst dann kommt es zum eigentlichen Blitzschlag, wobei nun von unten nach oben binnen Millionstel Sekunden der Ladungsausgleich erfolgt. Dabei entstehen Stromstärken von einigen hunderttausend Ampere, die die Luft schlagartig auf rund 30.000 Grad Celsius erhitzt. Sie dehnt sich in der Folge aus wie die Schockwelle einer Explosion – der uns vertraute Donner ist zu hören. 

Blitzdirekteinschlag – ein seltenes Ereignis mit hohem Schadenspotential
Die Wahrscheinlichkeit direkter Blitzeinwirkung auf eine bauliche Anlage (z.B. ein Gebäude mit oder ohne Solaranlage) lässt sich auf Grund von speziellen geometrischen Abmessungen und der lokalen Umgebungssituation, unter zur Hilfenahme einer speziellen Blitzschutznorm (VDE 0185-305-2 Risiko-Management) abschätzen. Jede bauliche Anlage empfängt nicht nur die auf ihre eigene Grundfläche entfallene Anzahl Blitze, sondern mit zunehmender Höhe auch einen Teil der eigentlich für ihre Umgebung bestimmten Blitze. Daraus ergibt sich, dass hohe Gebäude häufiger als niedrige, großflächige häufiger als kleinflächige, und freistehende Gebäude häufiger als Gebäude innerhalb von Wohnsiedlungen direkt getroffen werden. Das Empire State Building wird z. B. durchschnittlich 23 mal im Jahr direkt getroffen, weil es zu den höchsten Gebäuden in Manhattan gehört, relativ freistehend ist, und in einer Region mit erhöhter Gewittertätigkeit steht. Die genaue Erdblitzdichte für eine bestimmte Region Deutschlands kann bei Wetterinformationsdiensten erfragt werden (z.B. VdS Meteo-Info). Überschlägig lässt sich sagen, dass es im Norden Deutschlands eine geringe, in weiten Gebieten Mittel-Deutschlands eine mittlere und im Süd-Westen eine hohe Blitzdichte gibt. Für ein beispielhaft angenommenes Gebäude durchschnittlicher Dimension ergeben sich in Abhängigkeit von der Lage (Erdblitzdichte) und Umgebungsstruktur folgende Direkteinschlagswahrscheinlichkeiten für Deutschland: 

Tabelle 1:

Jährliche Erdblitzdichte je
km²
Ein Blitzeinschlag alle x Jahre
in einer Vorstadt, nicht exponierte Lage
Ein Blitzeinschlag alle x Jahre,
auf dem Land, exponierte Lage
0,57 (niedrig) 1000 167
2,67 (mittel) 125 33
4,84 (hoch) 71 18

Tabelle 1 macht deutlich, dass die Direkteinschlagwahrscheinlichkeit im Norden Deutschlands relativ gering ist. Im Süd-Westen steigt die Notwendigkeit von Blitzschutzmaßnahmen wegen der höheren Gewittertätigkeit dagegen deutlich an. Häufige äußere Schäden bei einem Direkteinschlag in eine bauliche Anlage ohne Blitzschutzsystem sind undichte Dacheindeckungen oder abgeschlagene Gebäudeteile. Wenn sich brennbare Materialien in der Nähe des Einschlagortes befinden, kann es in Einzelfällen auch zu Bränden kommen, oder Teile der inneren Gebäudeinstallationen werden zerstört. Eine Solaranlage erhöht nicht das Risiko eines Blitzeinschlages, da die bauliche Anlage in der Regel nicht wesentlich erhöht wird (<1,5m). Daher wird normativ auch keine generelle Installation eines Blitzschutzsystems gefordert, wenn eine Solaranlage auf einer bauliche Anlage errichtet wird. 

Das Grundprinzip einer Blitzschutzanlage

Blitzschutz gehört immer zur Planung
Schäden an Photovoltaik-Anlagen können zu Kosten und Einnahmeausfällen führen, und damit die Amortisationszeit der Anlage herauszögern. Bereits in der Planungsphase ist generell zu klären, ob es spezielle Blitzschutz-Anforderungen von Versicherungen gibt oder solche durch Regelungen einer Landesbauordnung vorgeschrieben sind. In gewitterstarken Gebieten kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, die Photovoltaik-Anlagen mit zusätzlichen externen Überspannungsableitern vor Spannungseinkopplungen zu schützen, auch wenn das Gebäude selbst keinen Blitzschutz besitzt. Bei Gebäuden mit Blitzschutzanlage ist zu beachten, dass durch die Installation der Solaranlage die Blitzschutzanlage nicht negativ beeinflusst wird. Das Grundprinzip der äußeren Blitzschutzanlage ist es, möglichst viel Blitzstrom an der Gebäudehülle ins Erdreich fließen zu lassen, damit im Gebäudeinneren weder Mensch, Tier noch Sachwerte gefährdet werden. 

Mindestabstand der Solaranlage zur äußeren Blitzschutzanlage

Verstärkte Zusammenarbeit mit Blitzschützern erforderlich

Da die Berechnung der anzupassenden Blitzschutzanlage kompliziert und umfangreich sein kann, ist es notwendig, bereits in der Planungsphase eine Blitzschutzfachkraft nach DIN VDE 0185 -305 hinzu zu ziehen. Gemeinsam kann ein fachgerechtes Schutzkonzept mit dem besten Kosten-Nutzenverhältnis gesucht werden. Dieses ergibt sich meist dann, wenn bereits bei der Dimensionierung und Anordnung der Solaranlage ein Mindestabstand zur äußeren Blitzschutzanlage eingeplant wird. Dieser Mindestabstand, den die Blitzschutzfachkraft Trennungsabstand „s“ nennt, sorgt dafür, dass bei einem Direkteinschlag in das Gebäude kein Überschlag auf die PV-Anlage stattfindet und die PV-Strangleitungen dann keinen Blitzteilstrom ins Gebäudeinnere leiten. Man spricht hier von einem teilisolierten Blitzschutz auf dem Dach. Zusätzlich sorgt die Blitzschutzfachkraft durch Anpassung der Fangeinrichtung dafür, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fangeinrichtung und nicht die PV-Anlage getroffen wird. Hierfür werden zusätzliche Fangstangen oder Fangspitzen aufgestellt, die exponierter sind als die Solaranlage. Die Solaranlage befindet sich dann im sogenannten Schutzbereich der äußeren Blitzschutzanlage.

Fangspitzen

Fangstangen

Überspannungsableiter

Auf der Gleich- und Wechselstromseite der PV-Anlage werden hier Überspannungsableiter Typ 2 verwendet. Nur wenn beide Bedingungen erfüllt werden, Trennungsabstand und Schutzbereich, kann auf kostenintensive innere Blitzschutzmassnahmen verzichtet werden. Leichtfertige Direktanschlüsse der Solaranlagen oder das Weglassen von zusätzlichen Fangeinrichtungen können schnell zum Planungs- oder Installationsfehler werden. Bei Gebäuden deren Dachfläche zur Fangeinrichtung gehört (z.B. bei Metalldächern) ist ein teilisolierter Blitzschutz nicht möglich. Die Solaranlage wird dann direkt mit der äußeren Blitzschutzanlage blitzstromtragfähig elektrisch leitend verbunden. Da die Leitungen der Solaranlage in diesem Fall blitzstrombehaftet sind, ist die Leitungsführung entscheidend für den weiteren finanziellen und technischen Aufwand. Bei PV-Anlagen müssen die ins Gebäude gehenden blitzstrombehafteten Strangleitungen durch Blitzstromableiter Typ 1 geschützt werden.

Schirmung

Eine blitzstromtragfähige geschirmte Leitungsverlegung (Schirmung ≥16 mm² Cu oder leitwertgleich) entlang der der Außenfassade ist oftmals technischer einfacher und damit kostengünstiger zu realisieren. Metallrohre oder Rinnen in denen sich die Strangleitungen befinden, werden dazu auf dem Dach am Montagegestell und beim Erdungssystem auf Erdniveau elektrisch verbunden. Diese Möglichkeit sollte unbedingt schon in der Angebotsphase vom Solarinstallateur in Zusammenarbeit mit einer Blitzschutzfachkraft erarbeitet werden. Zur Vereinfachung und Koordination der Zusammenarbeit kann das Flussdiagramm rechts im Bild dienen. 

Flussdiagramm

 

Weiterbildung ist gefragt
Der Verband der Deutschen Blitzschützer (VDB) berichtet von zunehmend schlecht installierten Solaranlagen in Zusammenhang mit Blitzschutz. Bei öffentlichen Gebäuden hat dies schon zum Rückbau von kompletten Solaranlagen oder Solaranlagenteilen geführt. Ein funktionierender Blitzschutz ist bei öffentlichen Gebäuden nach Landesbauordnung geregelt.
Um den markt- und fachgerechte Aufbau von Solaranlagen zu gewährleisten, ist es wichtig, dass sich Solarinstallateure im Bereich von Blitzschutz weiterbilden. Ein grundsätzliches Verständnis über die Möglichkeiten und Anforderungen des Blitzschutzes stellt die Weichen für ein kosten- und nutzenoptimiertes Gesamtsystem. Der Solarinstallateur sollte daher prinzipiell in der Lage sein, zu erkennen, ob ein teilsisolierter Blitzschutz möglich ist und wenn ja, welchen überschlägigen Trennungsabstand er für die Angebotsphase annehmen kann. Kommt es zur Beauftragung der Solaranlageninstallation, erfolgt die Detailplanung und Umsetzung in Zusammenarbeit mit Blitzschutzfachkräften.
Es gibt mittlerweile viele Weiterbildungsmöglichkeiten zum Thema Blitzschutz und Solaranlagen. Als Einstieg in die Thematik ist besonders das kürzlich erschiene Blitzschutz-Merkblatt vom BSW zu empfehlen. 

Gesetzliche Vorgaben zum Blitzschutz:
Eine tabellarische Übersicht der baurechtlichen Vorgaben der einzelnen Bundesländer zum Blitzschutz, wie Landesbauordnung(LBO), Sonderbauverordnungen und –Richtlinien oder die Prüfverordnungen sind zu finden in der VdS-Richtlinie 2010. Zusätzlich sind hier noch spezielle bundesweite Regelungen aufgelistet. 

Wichtige Normen:
• DIN EN 62305-1: 2006-10 (VDE 0185-305-1),
  Blitzschutz – Teil 1 : Allgemeine Grundsätze (IEC 62305-1: 2006)
• DIN EN 62305-2: 2006-10 (VDE 0185-305-2), Blitzschutz – Teil 2: 
  Risiko-Management (IEC 62305-2: 2006)
• DIN EN 62305-3: 2006-10 (VDE 0185-305-3), Blitzschutz – Teil 3:
  Schutz von baulichen Anlagen und Personen (IEC 62305-3: 2006)
• DIN EN 62305-4: 2006-10 (VDE 0185-305-4), Blitzschutz – Teil 4: 
  Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen (IEC 62305-4: 2006)
• DIN EN 62305-3 Beiblatt 2: 2007-01 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 2) Zusätzliche Informationen für besondere
  bauliche Anlagen (Kap. 17: Photovoltaik- und Solarthermische Anlagen)
• DIN VDE 0100-712: 2006-06 (VDE 0100-712) Errichten von Niederspannungsanlagen –
  Teil 7-712: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer
  Art – Solar-Photovoltaik-(PV)- Stromversorgungssysteme
  (IEC 60364-7-712:2002, modifiziert) Bezug bei www.vde-verlag.de 

Richtlinien:
Versicherungsrichtlinie VdS 2010: 2005-07, Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz, Richtlinien zur Schadenverhütung, VdS Schadenverhütung GmbH (früher Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.), http://www.vds.de/Gesamtverzeichnis.487.0.html 

Literatur:
• VDE-ABB: Merkblatt Nr.11, www.vde.com
• VDB Blitzschutz Montage-Handbuch, www.vdb.blitzschutz.com
• Merkblatt für PV-Installateure: Blitz- und Überspannungsschutz von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden,
  BSW/ZVEH, http://www.solarwirtschaft.de/fileadmin/content_files/mb_bswsolar_blitzsch.pdf
• Blitzplaner, Dehn + Söhne, 2. aktualisierte Auflage, ISBN 978-3-00-021115-7
• Blitzschutzfibel für Solaranlagen Ratgeber für Solarinstallateure und Blitzschützer,
  Michael Beer, Wagner & Solartechnik GmbH, ISBN 978-3-923129-41-6

Archive